Jesuiten, Kapuziner, Englische Fräulein: Neue Orden und Kongregationen

Jesuiten, Kapuziner, Englische Fräulein: Neue Orden und Kongregationen
Jesuiten, Kapuziner, Englische Fräulein: Neue Orden und Kongregationen
 
Teil der katholischen Reaktion auf die Herausforderung der Reformation war die Gründung einer ganzen Reihe neuer Kongregationen, die sich in besonderer Weise der Erziehung und Bildung verschrieben. Als bedeutendste Neugründung gilt dabei der 1540 von Ignatius von Loyola ins Leben gerufene Jesuitenorden, die »Gesellschaft Jesu« (Societas Jesu, SJ). Er und seine Mitgründer verpflichteten sich dabei zunächst außer zu Armut und Keuschheit zur Missionsarbeit und - trotz oder gerade wegen der schwer angeschlagenen Autorität des Papsttums in der Reformationszeit - zum strikten Gehorsam gegenüber dem Papst. Bereits die Gründungsbulle lässt das Profil des neuen Ordens klar hervortreten und nennt Predigt, Werke der Caritas, Unterricht und Seelsorge - speziell in der Beichte - sowie geistliche Übungen als inhaltliche Schwerpunkte. Ihre praktische Ausrichtung zielte auf die Rückgewinnung der protestantischen Gebiete und die Intensivierung der katholischen Reformen, durch die die Jesuiten zu den eigentlichen Trägern der Gegenreformation werden sollten. So findet man die Ordensangehörigen bald an den Schaltstellen der Macht, an Höfen und Universitäten, wo sie als Multiplikatoren wirkten. Der Dienst in der Welt wurde außer durch den Verzicht auf Ordenstracht und Ortsbeständigkeit auch in der Aufgabe des Lebens in Konventen deutlich, das klassische Orden ausgezeichnet hatte. Das jesuitische Ideal wurde der ständig verfügbare Wanderapostel, dessen Präsenz in der Mission und Kolonisation derart auffällig war, dass der Jesuit bald zum Missionar schlechthin avancierte.
 
Fast durchgängig waren die Jesuiten Anfeindungen und heftiger Kritik ausgesetzt. So führte ihr Bemühen, sich den Bedürfnissen ihrer Klientel besser anzupassen, zu einer laxen Beichtpraxis und zu Spitzfindigkeiten wie dem »geistlichen Vorbehalt« (»reservatio mentalis«), der es gestattete, einen geleisteten Eid zurückzunehmen oder umzudeuten. Neben dieser »Jesuitenmoral« und ihrem »Kadavergehorsam« wurde ihnen sogar vorgeworfen, in ihren Exerzitien den Willen ihrer Ordensmitglieder gleichzuschalten oder sogar zu brechen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts machte sich das französische Königtum diese Vorstellungen zu Eigen, erließ Aufenthaltsbeschränkungen und veranlasste die Ausweisung der Jesuiten aus Spanien, Portugal und Frankreich. Der Orden wurde 1773 gänzlich aufgehoben und erst im 20. Jahrhundert wiederhergestellt.
 
Vergleichbare Erfolge auf dem Gebiet der Volksmission konnten nur noch die Kapuziner vorweisen. Der jüngste Zweig des Franziskanerordens stellte zunächst nur eine Reformgruppe innerhalb der Klostergemeinschaft dar, die die Regel des Franz von Assisi in ihrer ganzen Strenge leben wollte. Bald schon aber verließen etliche Brüder den Orden und führten ein Eremitendasein oder durchstreiften als arme Wanderprediger das Land. 1528 durch den Papst bestätigt und 1574 von seiner ursprünglichen Beschränkung auf Italien befreit, konnte sich der Orden über Frankreich, Spanien, die Niederlande und das deutsche Sprachgebiet verbreiten. Ihre größte Ausdehnung erlebte die Gemeinschaft Mitte des 18. Jahrhunderts mit fast 35 000 Brüdern in 64 Provinzen und über 1700 Häusern. Bei den Kapuzinern legte man besonderen Wert auf stilles Gebet und Kontemplation. Sie siedelten sich deshalb abseits von bewohnten Gebieten an. Ihre Predigt verkündete mit ihrer Volkstümlichkeit und Bildhaftigkeit das Evangelium unmittelbar, frei von theologisch-wissenschaftlichem Ballast und rhetorischen Schnörkeln. Ihr Leben in äußerster Bedürfnislosigkeit führte sie zur Solidarität mit den Armen und Kranken: Sie verteilten vor dem Eintritt in den Orden allen Besitz an Bedürftige, gingen barfuß, durften auch indirekt kein Geld annehmen und besaßen weder Vorräte noch Eigentum außer einem einzigen groben Gewand, dessen viereckige Kapuze ihrem Orden den Namen gab. Sie engagierten sich für die sozial Benachteiligten, pflegten die Kranken in Leprastationen oder bei Pestepidemien, betreuten Gefangene, bettelten für die Armen in Hungersnöten und richteten eigens für sie Läden und Getreidehäuser ein.
 
Zu den wirklich neuen Tätigkeitsfeldern der katholischen Reform gehörte die Mädchenbildung. Außer den 1535 gegründeten Ursulinen nahm vor allem die unter dem Namen »Englische Fräulein« bekannte, von der Adligen Mary Ward 1611 gegründete Frauengemeinschaft diese Aufgabe wahr. Die Englischen Fräulein unterwiesen die Mädchen in Bibel und Katechismus und organisierten ihre Ausbildung in Schulen und Internaten. Dabei gingen sie weit über die erzieherischen Ziele ihrer Zeit hinaus und vermittelten neben hauswirtschaftlichen Fähigkeiten von der Kräuterkunde bis zur Hygiene auch Kenntnisse in der lateinischen Sprache, Liturgik, Musik und Mathematik, sofern die Eltern dies zuließen. Allerdings richtete sich ihr Angebot zunächst an die wohlhabende adlige Oberschicht, wobei Standesunterschiede auch innerhalb des Gemeinschaftslebens beibehalten wurden.
 
Binnen weniger Jahrzehnte nach ihrer Gründung verbreitete sich die unkonventionelle Gemeinschaft von den Niederlanden bis nach Neapel und Wien. Dabei erregte es besonderes Aufsehen, dass sich Mary Ward für ihre Gemeinschaft gezielt der Jesuitenregel bediente, die deshalb auch »Jesuitinnen« genannt wurden, obgleich sich die Jesuiten stets gegen die Einrichtung eines weiblichen Zweiges ihrer Kongregation gewehrt hatten. Bereits 1631 wurde die Gemeinschaft päpstlich verboten, und Mary Ward wurde kurzzeitig in Haft genommen. Trotz der Bestätigung der Ordensregel zu Beginn des 18. Jahrhunderts darf sie offiziell erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts als Gründerin bezeichnet werden.
 
Dr. Ulrich Rudnick
 
 
Geschichte der katholischen Kirche, herausgegeben von Josef Lenzenweger u. a. Neuausgabe Graz u. a. 31995.

Universal-Lexikon. 2012.

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